Der nächste Offenbarungseid

12.11.2025

Zwei Themen waren in den letzten Tagen schlechthin die "Aufreger" in der heimischen Innenpolitik: Einerseits das von den Bundesländern mutmaßlich verursachte "Budgetdesaster", das Österreichs Defizit auf ca. 5%(!) der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) explodieren lässt; auf der anderen Seite die von Harald Mahrer (ÖVP) "initiierte" Diskussion um Sinn und Zweck der Wirtschaftskammer samt deren Umgang mit jenen finanziellen Mitteln, die dort zwangsweise vereinnahmt werden.

Der "durchschnittliche" Österreicher durfte sich, ob all dessen, erwarten, dass bei der wöchentlich routinemäßig stattfindenden Pressekonferenz der Bundesregierung zu diesen zentralen Themen Stellung bezogen und erklärt wird, wie man gedenkt, mit diesen beiden "Problemzonen" künftig umzugehen.

Quelle: https://kaernten.orf.at/stories/3300898/

Was allerdings heute vor allem Alexander Pröll (ÖVP), gemeinsam mit Philip Kucher (SPÖ) und Yannik Shetty (NEOS) an seiner Seite, abgeliefert hat ist nichts anderes als ein Offenbarungseid in eigener Sache.

Kein Wort zum "Budgetdefizit" und kein Wort zur "Causa Mahrer" – das muss man erst einmal zustande bringen und sich "trauen".

Selbst moderate und "nachsichtige" Kommentatoren wie Wolfgang Geier vom ORF, der für sachliche und nüchterne Befunde bekannt ist und geschätzt wird, konnten es sich nicht "verkneifen" darauf hinzuweisen, was eigentlich notwendig gewesen wäre: Ein klares Statement zu den beiden zuvor genannten Themen.

Stattdessen hat Sekretär Alexander Pröll minutenlang darüber fantasiert, wie man die digitale Abhängigkeit Europas und Österreichs verringern bzw. in den Griff bekommen will; Österreich sei lt. Pröll gar "in Vorlage" getreten und habe eine "gemeinsame Erklärung zu einer gemeinsamen europäischen Digitalisierungssouveränitätscharta" zu Papier gebracht, worüber man mit Friedrich Merz und Emmanuel Macron bei einem Gipfel in Berlin am 18.11.2025 sprechen und das dann, was immer das sein soll, verabschieden wolle; es gäbe, so Pröll ganz stolz, sogar einen entsprechenden "Ministerratsvortrag".

Tatsache ist aber, dass die von Pröll behauptete "Themenführerschaft" Österreichs frei erfunden oder erlogen ist; das Treffen in Berlin wurde beim deutsch-französischen Ministerrat am 29.08.2025 in Toulon vereinbart und von Frankreich und Deutschland initiiert; Pröll ist in Berlin allenfalls eine Randerscheinung oder als Zaungast geduldet und tritt lt. bereits feststehendem Programm offiziell nirgendwo auf (nachzulesen unter https://bmds.bund.de/aktuelles/eu-summit/programme); Pröll dürfte sich entweder selbst hilflos überschätzen oder etwas gröblich missverstanden haben - seit heutiger Auftritt passt zumindest in jenes Bild, das er laufend abgibt - viel Rederei, aber dafür reichlich wenig Substanz.

Wer sich diese politische wie sprachliche Peinlichkeit bzw. Entgleisung Prölls ansehen oder anhören will, dem sei an dieser Stelle die Mediathek des ORF empfohlen; um das noch näher zu kommentieren fehlen mir Zeit, Worte und der nötige Geisteszustand.

Quelle: https://www.profil.at/oesterreich/proell-wenn-microsoft-auf-den-knopf-drueckt-stehen-die-oeffis/403087483

Recht erhellend ist aber der zuvor bereits erwähnte Kommentar von Wolfgang Geier: "Das finde ich auch einigermaßen überraschend, das möchte ich zu meinem ersten Punkt machen, dass wir in einer Phase, in der Unsicherheit herrscht, wie hoch das Budgetdefizit wirklich ist und der Finanzminister sagt, er muss sich erst selbst Klarheit verschaffen, in einer Zeit, in der eine der tragenden Säulen der österreichischen Realverfassung, die Sozialpartnerschaft, durch Pannen und durch kommunikatives Versagen des Wirtschaftskammerpräsidenten sichtlich angeschlagen ist, drei Klub-Obleute zum Thema Digitalisierung hören"; (…) "aber jetzt auf die zentralen Fragen so offensiv nicht einzugehen, das löst beim geneigten oder weniger geneigten Publikum schon eher Verwirrung aus"; (…) "agieren ist besser als reagieren, das sagt einem jeder Kommunikationsberater in der allerersten Stunde" (…) – einmal, wie Geier richtig feststellt, "eine etwas andere Ministerratsanalyse" …

Quelle: https://www.msn.com/de-at/nachrichten/digital/bundesregierung-will-digitale-unabhängigkeit-stärken/ar

Aber wie, frage ich mich, soll man diesen "Offenbarungseid" tatsächlich kommentieren?

Vermutlich so, wie Wolfang Geier es getan hat: Etwas verwundert, mit reichlich Nachsicht, innerlich lächelnd und einem wohlwollenden Blick auf das, was ich als hilf- wie heillose Überforderung samt kognitiver Schlagseite bezeichnen würde …

Chr. Brugger

12/11/2025