Zur Scheinheiligkeit von Politikern
Justament all jene, deren schnöde Macht- und Geldgier der Papst Zeit seines Lebens angeprangert hat, fühlen sich nach seinem Tod bemüßigt, sein Erbe mit sinnbefreiten Kondolenzsprüchen zu bespucken.
Ich will und werde, aus Respekt vor dem Verstorbenen, an dieser Stelle nicht die Namen derjenigen ins Spiel bringen, die es bereits kurz nach dem Tod von Franziskus nicht unterlassen konnten sich so zu verhalten, wie es jemandem geziemen würde, dessen Handeln der Papst während seines gesamten Pontifikates aufs Schärfste kritisiert hat.

Quelle: https://www.catholicbishops.ie/wp-content/uploads/2013/11/Evangelii-Gaudium.jpg
Nun kann man, gleichsam naturgemäß, von im Geiste nativ Armen, denen bekanntermaßen das Himmelreich zuteilwird, kaum erwarten, sie hätten das apostolische Schreiben "Evangelii Gaudium" des Heiligen Vaters je gelesen oder gar sinnerfassend verstanden.
Dort wäre etwa im zweiten Kapitel (50ff) nachzulesen, was Franziskus von einer "Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen" hält, von einer "Trickle-down-Ökonomie", dem "Fetischismus des Geldes" oder "der Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel".
All das, was Politiker weltweit seit Jahrzehnten "anbeten", hat Franziskus verabscheut; gerade deshalb ist deren posthume Anbiederung dermaßen schäbig, widerwärtig und ekelerregend. Man sollte nicht die Tugend von jemanden hochleben lassen, um im selben Augenblick gegen dessen Grundsätze zu verstoßen bzw. exakt das Gegenteil von dem zu tun, wofür der andere eingestanden ist und posthum gepriesen wird.
Dieses morbide Verhalten dürfte der verstorbene Papst u.a. gemeint haben, wenn er von der besorgniserregenden Zunahme pathologischer Zustände geschrieben hat; der Geist ist nicht nur schwach, sondern scheinbar auch gespalten genug, um sich so zu verhalten; weltweit grassiert zudem seit geraumer Zeit eine politisch wahnhafte Vorstellung davon, was denn für diejenigen Menschen, die unseren Planeten bewohnen, das Beste wäre.

Quelle: https://www.fnp.de/welt/papst-franziskus-tot-sorgte-vor-aussergewoehnliche-beerdigung-geplant-bricht-mit-vatikan-tradition-zr-93693362.html
Die politisch protegierten "Mechanismen der augenblicklichen Wirtschaft fördern eine Anheizung des Konsums, aber es stellt sich heraus, dass der zügellose Konsumismus, gepaart mit der sozialen Ungleichheit das soziale Gefüge doppelt schädigt. Auf diese Weise erzeugt die soziale Ungleichheit früher oder später eine Gewalt, die der Rüstungswettlauf nicht löst, noch jemals lösen wird. Er dient nur dem Versuch, diejenigen zu täuschen, die größere Sicherheit fordern, als wüssten wir nicht, dass Waffen und gewaltsame Unterdrückung, anstatt Lösungen herbeizuführen, neue und schlimmere Konflikte schaffen. Einige finden schlicht Gefallen daran, die Armen und die armen Länder mit ungebührlichen Verallgemeinerungen der eigenen Übel zu beschuldigen und sich einzubilden, die Lösung in einer "Erziehung" zu finden, die sie beruhigt und in gezähmte, harmlose Wesen verwandelt. Das wird noch anstößiger, wenn die Ausgeschlossenen jenen gesellschaftlichen Krebs wachsen sehen, der die in vielen Ländern – in den Regierungen, im Unternehmertum und in den Institutionen – tief verwurzelte Korruption ist, unabhängig von der politischen Ideologie der Regierenden".
Dieses wörtliche Zitat aus dem erwähnten apostolischen Schreiben lässt erkennen, worum es Franziskus, im Unterschied zu anderen Politikern und Staatsoberhäuptern, niemals ging; er war nicht bereit und willens das zu akzeptieren, was in den USA, Europa, China & andernorts opportunistisch hofiert wird: "Um einen Lebensstil vertreten zu können, der die anderen ausschließt, oder um sich für dieses egoistische Ideal begeistern zu können, hat sich eine Globalisierung der Gleichgültigkeit entwickelt. Fast ohne es zu merken, werden wir unfähig, Mitleid zu empfinden gegenüber dem schmerzvollen Aufschrei der anderen, wir weinen nicht mehr angesichts des Dramas der anderen, noch sind wir daran interessiert, uns um sie zu kümmern, als sei all das eine uns fern liegende Verantwortung, die uns nichts angeht. Die Kultur des Wohlstands betäubt uns, und wir verlieren die Ruhe, wenn der Markt etwas anbietet, was wir noch nicht gekauft haben, während alle diese wegen fehlender Möglichkeiten unterdrückten Leben uns wie ein bloßes Schauspiel erscheinen, das uns in keiner Weise erschüttert."

Quelle: https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/papst-franziskus--termin-fuer-seine-beisetzung-steht-fest-35657992.html
Bedauerlicherweise regiert speziell in den Pseudo-Demokratien westlichen Zuschnitts längst die "Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht und ohne ein wirklich menschliches Ziel" – und genaue jene, die sich in diesen Diktaturen auf ihre demokratische Legitimation berufen, stehen jetzt vor dem Sarg ihres größten Kritikers und "schänden" dessen Leichnam, indem sie dessen Ansichten auch noch scheinheilig betend konterkarieren.
Chr. Brugger
22/04/2025