Ein Hoch auf die Verfassung
Eines muss man vor allem der ÖVP, aber auch der SPÖ bzw. den NEOS, schon lassen: Mit welcher Unverfrorenheit sie maßgebliche Grundsätze der heimischen Verfassung pervertieren, ist aller Ehren wert – vor dem Hintergrund von Art. 7 B-VG, Art. 2 u. 3 des StGG und Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention die "Causa August Wöginger" als "erledigt" darzustellen zeugt davon, dass dem türkis-rot-pinkem Regierungskonglomerat verfassungsrechtliche Grundsätze völlig einerlei sind; den Gleichheitsgrundsatz öffentlich mit Füßen zu treten und die Staatszielbestimmung, wonach unsere Republik (Bund, Länder und Gemeinden) die Gleichbehandlung in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten hat, auszuhebeln ist schon ein starkes Stück; dass öffentliche Ämter für alle Staatsbürger prinzipiell gleich zugänglich sein müssten, interessiert bei ÖVP, SPÖ und NEOS daher offenbar niemanden; das der EMRK innewohnende "Verbot der Benachteiligung" spielt bei uns in Österreich ob dessen keine Rolle.

Quelle: https://www.bundespraesident.at/aktuelles/detail/statement-zur-bildung-einer-uebergangsregierung
Wenn nun insofern und in aller Öffentlichkeit grundlegende Prinzipien der Verfassung missachtet werden können und Ämterpatronage bloß ein Kavaliersdelikt sein soll, weiß man in etwa, wie politisch verkommen man in der Alpenrepublik sein darf, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen.
Nicht minder befremdlich ist, dass sich bislang unser Bundespräsident nicht zu Wort gemeldet hat; der wird grundsätzlich ja nicht müde zu betonen, was unsere Verfassung zu leisten imstande wäre; auf unsere Verfassung ist aber scheinbar kein Verlass, zumal dann, wenn die aktuell noch im Amt befindliche Bundesregierung dabei zusieht, wie sich u.a. der Klubobmann der Volkspartei, August Wöginger, ungeniert wie straffrei über die heimische Normenhierarchie hinwegsetzen kann..
Für die Staatsbürger stellt sich allerdings die Frage, ob tatsächlich das sein kann, was nicht sein darf; es darf, wenn auch nur im Morast der parteipolitischen Niederungen, wo die infame Scheinheiligkeit zum guten Ton gehört und die Charakterlosigkeit willfährig hofiert wird.

Quelle: https://www.news.at/menschen/august-woeginger
Hier in Österreich haben wir es also "weit gebracht" – seit dem 07. Oktober 2025 wissen wir, dass das "Schachern", vor allem dann, wenn es um Posten im öffentlichen Dienst geht, ganz offiziell salonfähig geworden ist und dadurch die strafrechtliche Unbescholtenheit eine völlig neue Qualität erfahren hat; das ist zwar ebenso bemerkenswert wie befremdlich – es ist aber so und damit basta; wir können uns vielmehr glücklich schätzen, in einem Land zu leben, in dem das demokratische Prinzip das Maß aller Dinge ist; wenn damit auch verbunden sein sollte, dass AmtsträgerInnen all ihre Entscheidungen und Handlungen gegenüber den BürgerInnen zu verantworten hätten, müssen wir eben ein Auge zudrücken – die Forderung nach einer Gesetzmäßigkeit allen staatlichen Handelns (Art. 18 B-VG) muss man dabei ja nicht wirklich ernst nehmen; die wird ohnedies völlig überbewertet ...
Chr. Brugger
13/10/2025