Faßmann und die "Bildung"

01.05.2020

Nicht zuletzt durch die Corona - Krise ist "Bildungsminister" Heinz Faßmann in den letzten Wochen zu einem "mehr im Licht der Öffentlichkeit stehenden Politiker" geworden.


Auch ich habe mir seine, mit großem "Trara" angekündigte Pressekonferenz vom Freitag dieser Woche angesehen. Davor und danach kenne ich auch ein paar seiner, vom ORF übertragenen, sonstigen "Stellungnahmen".


Danach - inklusive Konsum der Ausführungen von Christiane Spiegel (Bildungspsychologin) als Nachschlag - wusste ich nicht wirklich, worüber die beiden eigentlich gesprochen haben, was sie zum Ausdruck bringen wollten.


Ich selbst bin, das nehme ich für mich in Anspruch, durchaus in der Lage solchen Pressekonferenzen sinnerfassend folgen zu können; allein, ich habe die Botschaft nicht verstanden. Im Übrigen wäre der erste Teil (also jener von Faßmann) gar nicht notwendig gewesen, da zahlreiche Medien ohnedies bereits vorher über den erwarteten Inhalt zu berichten wussten.


Offenpaar hat unser "Bildungsminister" - mit bildungspsychologischer Begleitmusik - den Versuch unternommen zu erklären, was mit unseren ca. 1,2 Millionen Schülern ab Mai 2020 "geschehen" soll.


Das Resümee kann jedenfalls nur lauten, dass hier Menschen am Werk waren, die nicht nur von Bildung, insbesondere von Bildungspolitik, absolut keine Ahnung haben; das selbst wäre beim seit Jahren währenden "Stand" unseres Bildungssystems, beim aktuell vorhandenen österreichischen Bildungsstandard, an sich keine große "Hexerei".


Spätestens aber dann, wenn es aber um die praktische bzw. praktikable Umsetzung der angekündigten Verordnung geht, mutiert das Ganze doch noch zum Problem.


Man hat scheinbar ganz darauf vergessen, bereits im Vorfeld darüber nachzudenken, welche Folgen ministerielle Verordnungen zeitigen können.


Von den schulintern erforderlichen administrativen Maßnahmen will ich gar nicht schreiben.


Wie der erforderliche "Lehrkörper" damit umgeht und wie das ablaufen soll, kann ich nicht wirklich bewerten. - Hier wird man vermutlich (typisch österreichisch) gedacht haben, es wird schon irgendwie gehen.


Wenn man aber vermeint, dass man mit dieser Lösung Kindern und Jugendlichen ("unserer Zukunft") einen Dienst erweist, begibt man sich (mit einem schrottreifen Kleinst-Fuhrwerk) auf die sprichwörtliche "Holzstraße".


Zwölf- oder Dreizehnjährige Schüler werden nach diesem "System" nachmittags gemeinsam mit Zwei- oder Dreijährigen in Kindergärten betreut.


Kindergärtnerinnen kümmern sich dann, im Sinne Faßmanns, gleichzeitig um das Wechseln von Windeln schreiender Kinder und englischaufgabenschreibenden Schülern; sie basteln (gemeinsam mit den Kindergartenkindern) einen hübschen Drachen und beobachten zeitgleich Pubertierende beim Basteln ihrer Mathematikhausaufgaben. Diese Szenerie wird von traditionellen Gitarren- oder Flötenklängen, bestenfalls sogar noch von einer steirischen Ziehharmonika, begleitet.


Kindergartenkinder, das dürfte jedem einigermaßen vernünftig denkenden Menschen klar sein, neigen bisweilen dazu, sich entweder weinend ihrer "Kindergartentante" zuzuwenden oder sich mit anderen Kindern zu streiten.


Das wird zum einen sicher lustig, andererseits wird das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit, in angenehm ruhiger Atmosphäre, zusätzlich zu einer Verbesserung des Leistungsniveaus der Schüler beitragen; und das Alles in einem jedenfalls Corona-sicheren Umfeld (kleine Räume, wenig Abstand).


Das Schlimmste am ganzen Faßmann-Spiegel-Klamauk war aber, dass sehr deutlich erkennbar wurde, dass man vor Allem vom "Leben an sich" nicht die geringste Ahnung hat.


Was hilft den Schülern (gerade in dieser Situation) eine wissenschaftliche Studie, wenn ohnedies jeder weiß (oder wissen sollte), dass selbst ein Großteil der Absolventen von Abschlussklassen (neunte bzw. zwölfte oder dreizehnte Schulstufe) nicht einmal in der Lage ist, fehlerfrei (grammatikalisch wie orthographisch) einen Aufsatz in deutscher Sprache zu verfassen?


Wichtig ist (wie immer) nur, dass laufend beobachtet und evaluiert werde, ein klares Monitoring von Nöten sei; evaluieren hätte man übrigens längst für das (Un-) Wort des Jahres vorschlagen können.


Einfacher, vor Allem viel kostengünstiger, wäre es, die schulische Ausbildung, zumindest inhaltlich, einer Hand voll Menschen zu übertragen, die über ausreichend Hausverstand verfügen (notfalls hätte ich selbst ein paar entsprechend "Qualifizierte" an der Hand) und wissen, was ein Schüler im jeweiligen Schulalter mindestens Können muss, um auf sein Leben nach der Schullaufbahn ausreichend vorbereitet zu sein.


Wenn Schüler in der Maturaklasse nicht einmal vernünftig Deutsch, eins und eins nicht zusammenrechnen können, noch nie ein Buch in deutscher Sprache gelesen, niemals eine (qualitativ hochwertige) Tages- oder Wochenzeitung in der Hand gehabt haben, nicht sinnerfassend lesen können, ihr Wissen ausschließlich von "Wikipedia" beziehen, die Matura aber dennoch problemlos absolvieren, dann wäre es aus meiner Sicht hoch an der Zeit, als erste zielführende Maßnahme, zumindest das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens (mit sofortiger Wirkung) aufzulösen, die Sinnhaftigkeit der Bildungsdirektionen der Länder, insbesondere unter dem Aspekt ihrer jeweiligen Fachkompetenz, einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und dem "Bildungsministerium" (als Teil des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung) jedenfalls nur noch administrative, nie und nimmer aber inhaltliche, Kompetenzen zukommen zu lassen, vom Wesentlichen, dem, worauf es tatsächlich ankommt, zu befreien.


Das würde jährlich Zig-Millionen Euros sparen helfen, das ganze System, die damit in Verbindung stehenden Abläufe, vereinfachen, endlich Klarheit schaffen, wie hoch der Bildungsstandard sein muss, was die Zielsetzung tatsächlich ist und vor Allem was von jedem Schüler an Mindestwissen erwartet wird (was jeder zumindest können und wissen muss oder sollte).


Solange die jeweiligen Schulen nur danach trachten, möglichst viele Schüler zu haben (im Sinne von "die eigenen Schulklassen füllen") bleibt für Qualität ohnedies absolut kein Platz mehr.


Dasselbe oder Ähnliches, was Qualität betrifft, gilt im Übrigen auch für das "pädagogische Ausbildungssystem" (ob an Universitäten oder Hochschulen ist dabei einerlei), ebenso für das "Besoldungssystem", sowie das Dienstrecht an sich.


Auch diese Bereiche wären relativ einfach zu "bearbeiten", einer guten Lösung zuzuführen.


Auch in diesen Bereichen werden (zum Nachteil der Schüler und Lehrer) laufend Millioneneuros, vollkommen sinnentleert, "zum Fenster hinausgeworfen".


Wenn man mit stupider Beharrlichkeit nicht bereit und willens ist, entsprechend zu reagieren bzw. von den bestehenden Gepflogenheiten Abstand zu nehmen, geht die Bildung in Österreich immer noch weiter "den Bach hinunter".


Das führt mit Sicherheit dazu, dass es zu einer weiteren "Niedernivellierung" des Bildungsniveaus kommt; das scheinbar (auch durch das Einführen der "Zentralmatura") Gewollte (gleicher Bildungsstandard für alle) widerspricht nicht nur jedweder Vernunft sondern verhindert (durch das damit einhergehende Einebnen von naturgemäß vorhandenen Anlagen sowie Leistungsunterschieden in den verschiedenen Schulfächern) die gedeihliche Entwicklung vieler Schüler; persönliche Talente werden damit mutwillig und rücksichtslos vernichtet.


Die Ausführungen von Faßmann und Spiegel haben mich aber weder verärgert noch enttäuscht, eher amüsiert; ich habe nicht viel Anderes erwartet (mir sind ministerielle Spielregeln, die damit einhergehenden Mechanismen, durchaus bekannt); der "wissenschaftliche" Beitrag von Spiegel war entbehrlich (die genannten Zahlen sagen nichts aus, den Rest könnte man (so man das tatsächlich wollte) ebenso gut im Internet (https://www.bifie.at/) nachlesen.


Insofern waren auch die Ausführungen von Christiane Spiegel entbehrlich, um nicht zu sagen "überflüssig".


Bitter (für Schüler, Lehrer & Eltern) ist nur, dass damit einmal mehr klar wurde, dass man sich immer noch nicht im Klaren darüber ist, für wen man eigentlich zu arbeiten hätte, für wen man zuständig ist, wem man verantwortlich zu sein hätte. Es stimmt traurig wie nachdenklich, dass nicht einmal zwei Universitätsprofessoren in der Lage sind, das zu erkennen. Aber bekanntlich bestehen zwischen Theorie und Praxis, Wissenschaft und Wirklichkeit, "Schreibtischattentätern" und tatsächlich Betroffenen doch große bzw. scheinbar unüberbrückbare Differenzen.


Um doch positiv zu enden: vielleicht kann man in ein paar Jahren vom Faßmann-Nachfolger mehr erwarten; die Hoffnung stirbt ja nie; und - zu guter Letzt - einen Vorteil hat das Ganze ja auch noch: Österreich kann in aller Ruhe weiter unbehelligt dahinverblöden; und das sogar mit universitärer und ministerieller Genehmigung.


Chr. Brugger


26.04.2020