Knapp vorbei ist auch daneben
Noch im Oktober dieses Jahres hatte es den Anschein, als wäre der Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs, August "Gustl" Wöginger, an einem Strafverfahren wegen mutmaßlichen Amtsmissbrauches knapp vorbeigeschrammt; Wöginger wurde, wie den "Mitangeklagten", eine diversionelle Erledigung des Verfahrens zuteil; aus einem potenziellen "Verbrecher" wurde ein "Unschuldslamm" – für die ÖVP schien, wie man nicht müde wurde zu betonen, die "Causa Wöginger" erledigt; vor allem Kanzler Stocker & Sekretär Marchetti ließen jedenfalls nichts unversucht, Wöginger weiterhin als "Saubermann" im Lichte der Öffentlichkeit erscheinen zu lassen.

Quelle: https://www.profil.at/morgenpost/woegingers-gerade-noch-diversion-die-oevp-hat-sich-verkalkuliert/403098267
Bereits damals war aber zumindest jenen, die juristisch 1 + 1 zusammenzählen können, vollkommen klar, dass die umtriebige Tätigkeit des ÖVP-Mannes nicht im Rahmen einer Diversion zu erledigen wäre; wenn ein "prominenter" Politiker im dringenden Verdacht steht, den Tatbestand eines Verbrechens verwirklicht und ein sog. Sonderdelikt begangen zu haben, das mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft werden kann, ist eine Diversion rein rechtlich nicht möglich.
Die ÖVP & Wöginger haben sich also zu früh gefreut und nicht damit gerechnet, dass Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ), vor allem im Unterschied zu Christian Stocker, Andreas Kohl & Co, das Einmaleins des Strafrechts beherrscht; und so kam, was in einem funktionierenden Rechtsstaat zweifelsfrei kommen musste; die diversionelle Erledigung durch das LG Linz wurde aufgehoben und aus dem vermeintlichen "Kavaliersdelikt" ist wieder ein Verbrechen geworden.

Quelle: https://www.msn.com/de-at/nachrichten/politik/knalleffekt-um-wöginger-koalition-stürzt-in-mega-krise/ar-AA1PuYdl
Nun steht Wöginger aber vor den Trümmern seiner eigenen Naivität; wer sich reumütig zeigt, für sein rechtswidriges Verhalten Verantwortung übernimmt und damit seine Schuld faktisch eingesteht, wird im neuerlichen Verfahren nur schwer behaupten können, nicht tatbildmäßig gehandelt zu haben.
Auch die "Ausrede" nur deshalb reumütig gewesen zu sein und Verantwortung übernommen zu haben, um in den Genuss einer Diversion zu gelangen, wird kaum verfangen bzw. die zuständige Richterin nicht beeindrucken; es steht ja zweifelsfrei fest, dass zumindest ein Posten verschachert und dadurch eine, bei weitem besser geeignete, Person in ihren Rechten massiv geschädigt wurde; auch eine unmittelbare Beteiligung Wögingers an dieser parteipolitisch motivierten Intrige lässt sich nicht leugnen.

Quelle: https://www.diepresse.com/20184410/ein-armutszeugnis-fuer-den-oevp-ethikrat-in-der-zib-2
Die Angeklagten haben, inspiriert von niedrigsten Instinkten, verhindert, dass eine qualifizierte Mitarbeiterin nun jene Funktion ausüben kann, für die sie sich beworben hat – gegen besseres Wissen und getrieben von parteipolitischem Kalkül samt kruder Annahme, das würde schon, wie sonst auch, nicht auffallen.
Es besteht auch kein Zweifel daran, dass diese Postenschacherei das Ansehen der öffentlichen Verwaltung ebenso geschädigt hat wie das Vertrauen der Bevölkerung in alle staatlichen Einrichtungen; es ist ja allgemein bekannt und nachlesbar, was vor allem die ÖVP auf dem Gebiet des "Postenschacherns" in den letzten Jahrzehnten aufgeführt hat.

Quelle: https://dietagespresse.com/causa-woeginger-das-sitzungsprotokoll-des-oevp-ethikrats/
Jenen Kohlköpfen aber, die immer noch vermeinen, es handle sich bei der Schacherei von Posten um Gefälligkeiten bzw. harmlose Interventionen für berechtigte Bürgeranliegen, sei ins Stammbuch geschrieben, dass sie damit nicht nur vollkommen falsch liegen, sondern der parteilichen Korruption argumentativ Türen und Tore öffnen bzw. etwas schönzureden versuchen, was nicht schönzureden ist.

Quelle: https://www.frauenmachengeschichte.at/wp-content/uploads/2021-06-25_SPOe-Bundesfrauenkonferenz_Holzleitner.jpg
Rein politisch ist es aber ein vielleicht noch größerer Skandal, dass weder der Kanzler noch die Frauenministerin klar Stellung dazu bezogen haben, dass (nicht bloß) in diesem Fall eine zweifelsfrei besser qualifizierte Frau nur deshalb nicht die ihr zustehende Funktion ausüben kann, weil minderqualifizierte Männer das, aus parteilichen Motiven und zu ihrem eigenen Vorteil, zu verhindern wussten; eine solche Ignoranz ist nicht bloß widerwärtig und eines Rechtsstaates nicht würdig, sondern auch ein klares Signal an alle Frauen, dass man in dieser Republik weder sie noch ihre Fähigkeiten ernst nimmt; aber scheinbar ist es kein "Sterbenswort" wert, wenn eine Frau ganz offensichtlich aufgrund ihrer fehlenden(!) Parteizugehörigkeit diskriminiert wird, obwohl sie der männlichen Konkurrenz nicht nur fachlich bei weiten überlegen ist - den Eindruck, den die heimische "Verwaltungszentrale" und vor allem die weiblichen Mitglieder der Regierung hier hinterlassen haben, ist, mit Ausnahme von Anna Sporrer, eine Schande und bodenlose Frechheit gegenüber allen Frauen dieses Landes!
Ähnlich schändlich ist allerdings auch das Verhalten derjenigen, die Wögingers Intervention mit dem Bemühen um "Bürgeranliegen" abgetan haben - was vor allem die Mitglieder der ÖVP-"Ethikkommission" und deren laufend zurufenden "Parteitrabanten" hier aufgeführt haben, lässt Rückschlüsse darauf zu, was in der ÖVP unter Ethik bzw. ethisch einwandfreiem Verhalten verstanden wird.
Chr. Brugger
11/12/2025
