Scheitern Kurz & Blümel beim parteiinternen „Kindertest“?

14.05.2021

"Kindertest"? So hieß der Elchtest bis zu seiner "Eindeutschung" in Schweden; gemeint ist damit ein, letztlich durch das Umkippen eines Mercedes-Benz-A-Klasse Autos bekannt gewordener, Fahrdynamik- bzw. Fahrstabilitätstest.

Bei der momentanen türkisen Regierungsriege gibt es einen solchen "Kindertest" in Form des "Verhaltenskodex der Österreichischen Volkspartei" - verordnet durch den sog. ÖVP-Ethikrat unter dem Vorsitz der ehemaligen Landeshauptfrau der Steiermark und Trägerin des großen goldenen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich, Waltraud Klasnic. Weitere Mitglieder des Ethikrates sind neben der Vorsitzenden Klasnic Dr. Werner Fasslabend, Dr. Klaus Liebscher, Univ. Prof. Dr. Klaus Poier sowie Prof. Dr. Werner Zögernitz.

Dieser Ethikrat wird bei Verdacht eines Verstoßes gegen den Verhaltenskodex entweder aufgrund eines Auftrages des Parteiobmanns/der Parteiobfrau oder "von Amts wegen" tätig. Nach Abschluss des Verfahrens trifft der Ethikrat die Feststellung, ob der Kodex eingehalten oder verletzt wurde und schlägt Maßnahmen und Sanktionen (bis zum Parteiausschluss) vor.

Die wesentlichen bzw. relevanten, für die im Titel dieses Artikels Genannten, Bestimmungen im Kodex lauten dabei:

"Als Hilfestellung bei der praktischen Auslegung des Verhaltenskodex und bei der Durchführung eines Verfahrens zur allfälligen Sanktionsverhängung wurde ein Ethikrat eingeführt.

Die leitenden Grundsätze eines Verhaltenskodex sind Anstand und Takt, die im Folgenden zu konkretisieren sind:

Politische Funktionsträgerinnen und Funktionsträger der Volkspartei müssen Format haben und Format geben. Sie sollen eine solide berufliche Grundlage haben, um nicht von der angestrebten politischen Funktion abhängig zu sein.

Integrität ist ein zentraler Wert dieses Verhaltenskodex. Sie bedeutet nicht nur korrekte Erfüllung der öffentlichen Aufgaben, sondern ein allgemeines Verhalten, das der Vorbildfunktion gerecht wird, Handschlagqualität, Zuverlässigkeit bei Zusagen (Versprechen) und Vertragstreue sowie eine strenge Trennung von öffentlichen Aufgaben und privatem Erwerb. Die Beachtung von Gesetzen soll in vorbildlicher Weise gegeben sein.

Allgemeininteresse geht stets vor Gruppen (Einzel)interesse. Interventionen oder Protektionismus mit dem Ziel einer gewollten Ungleichbehandlung bzw. unsachgemäßen Entscheidung sind strikt abzulehnen. Wer ein Mandat, ein Amt oder eine Funktion ausübt, soll den Menschen zugewandt sein und Respekt für alle Bürger zum Ausdruck bringen. Diskriminierende Haltungen oder Äußerungen sind inakzeptabel. Jede Benachteiligung auf Grund des Geschlechtes, des Alters, einer Behinderung, der Hautfarbe, der Religionszugehörigkeit, der sexuellen Orientierung oder der persönlichen Weltanschauung ist zu vermeiden. Die Würde, die Privatsphäre und die Persönlichkeitsrechte jeder Einzelnen und jedes Einzelnen sind zu respektieren.

Die Verhaltensregeln gelten für "Funktionsträgerinnen und Funktionsträger", das sind sämtliche Amtsträgerinnen/Amtsträger und Mandatarinnen/Mandatare in Bund, Ländern und Gemeinden, die auf Listen der Volkspartei vorgeschlagen oder gewählt bzw. auf Vorschlag der Volkspartei bestellt werden sowie leitende, hauptberuflich tätige Funktionärinnen und Funktionäre der Bundespartei und der Landesparteien."

Unterzieht man Kurz & Blümel dem ÖVP-internen, wiewohl politisch motivierten, "Kindertest", dürfte Kurz gar nicht Bundeskanzler und Blümel keinesfalls Finanzminister sein - beide verfügen, im Sinne ihrer auf https:// www.parlament.gv.at veröffentlichten Lebensläufe, über keine "solide berufliche Grundlage", scheiterten sohin bereits an einer wesentlichen Grundvoraussetzung für ein politisches Amt im Dunstkreis der Volkspartei, am "Eingangstest".

Dass beide nicht bereit sind, ein "allgemeines Verhalten, das der Vorbildfunktion gerecht wird", an den Tag zu legen, haben sie mehrfach und nicht nur im öffentlich gewordenen, unsäglichen, SMS-Verkehr /WhatsApp-Verlauf, nachhaltig bewiesen.

Dasselbe gilt für "Zuverlässigkeit bei Zusagen (Versprechen)", worunter wohl auch (politische) Versprechen subsumierbar sein sollten.

"Die Beachtung von Gesetzen soll in vorbildlicher Weise gegeben sein" - auch gegen dieses ethische Erfordernis der ÖVP haben beide mehrfach verstoßen.

"Interventionen oder Protektionismus mit dem Ziel einer gewollten Ungleichbehandlung bzw. unsachgemäßen Entscheidung sind strikt abzulehnen": Wenn man sich die Peinlichkeiten rund um die "Bestellung" von MMag. Thomas Schmid ("Ich stürze mich heute in die Donau und du (gemeint ist Blümel) bist schuld"; "Du (gemeint ist Blümel) musst mir echt helfen das neue Beteiligungsgesetz rasch umzusetzen! Das bist du mir echt schuldig!"; "Dich (gemeint ist Kurz) zu haben ist so ein Segen! Es ist so verdammt cool jetzt im BMF!!! Danke Dir total dafür!!"; "Hab dir (Blümel an Schmid) heute deine öbib gerettet"; Antwort: "Super danke vielmals!!!!"; "Du Aufsichtsratssammler : (Kurz an Schmid); "Das ist dort mein Hauptberuf - bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate Das wäre ja wie Wiener Stadtrat ohne Portfolio" (Schmid an Kurz); "kriegst eh alles was du willst" (Kurz an Schmid); "Kurz scheisst sich voll an" (schreibt Schmid); "Ja dann soll er (gemeint ist Kurz) nickt SW zum AR CHEF MACHEN"; ) zum Vorstand der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG) zu Gemüte führt, könnte man durchaus der Meinung sein, dass auch dieser "Tatbestand" (Intervention und Protektionismus) erfüllt wurde.

"Diskriminierende Haltungen oder Äußerungen sind inakzeptabel": Allein die "Einstellung" von Kurz & Blümel zur parlamentarischen Institution des Untersuchungsausschusses lässt erkennen, dass beide den sog. Ibiza-Untersuchungsausschuss herabwürdigen und vor allem mit (emotionalen) äußerst fragwürdigen Assoziationen (vorsätzliche Verleitung zur Falschaussage etc.) ungeniert in Verbindung bringen.

Mann darf sich daher abschließend die Frage stellen, warum der ÖVP-Ethikrat bislang - soweit ersichtlich - nicht tätig geworden ist. Gilt der ÖVP-Verhaltenskodex nicht für den türkisen Teil der Partei des Volkes? Hat man die "Mechanismen", die dem Aufgabenbereich des Ethik-Rates oblägen (Einleitung eines Verfahrens, Feststellungsbeschluss), für Kurz & Blümel außer Kraft gesetzt? Hat der Ethik-Rat seine Tätigkeit gar eingestellt, befindet er sich auf Tauchstation, oder will und darf er nichts hören oder sehen?

Das Verhalten bzw. die Untätigkeit von Klasnic & Co könnte auch signalisieren, dass man das Verhalten von Kurz & Blümel duldet, damit legitimiert bzw. zum Maßstab neuer "politischer Redlichkeit" erhöht. Selbst das wäre verständlich, wenn auch, zumindest vor dem Hintergrund der bisherigen "ethischen Vorgaben" der ÖVP, nicht plausibel. Man sollte dann das zumindest nur deutlich, vor allem gegenüber den Mitgliedern der ÖVP-Familie, zum Ausdruck bringen bzw., in Anlehnung an die Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage, konsequenter Weise den Ethikrat auflösen und den Verhaltenskodex widerrufen.

Und: Das, was für Kurz und Blümel gilt, gilt ebenso für andere ÖVP-Politfunktionäre, paradigmatisch jedenfalls für die Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Auch die "Märchentante" aus Kärnten erfüllte, auf Basis der bisherig gültigen Parteierfordernisse, alle Kriterien für einen Parteiausschluss.

Chr. Brugger

14.05.2021