Zur pluralistischen Ignoranz

21.12.2022

Über Unwissenheit zu schreiben, griffe zu kurz; von Dummheit zu sprechen vermutlich ebenso; das, womit wir es in Österreich derzeit zu tun haben, hat mittlerweile ein beinahe epidemisches Ausmaß erreicht, einen Zustand, der kaum noch zu beschreiben und schon gar nicht plausibel erklärbar ist; speziell dann nicht, wenn man sich als Außenstehender, stiller Beobachter, jedenfalls fernab alles Politischen mit der Phänomenologie, eben dem, was eben dort, im Politischen, in Erscheinung tritt, beschäftigt; dieses Beschäftigen oder Nachdenken hätte am Ende nur dann einen Sinn, gelänge unsereins zu einer passablen, verständlichen oder zumindest ansatzweise nachvollziehbaren Meinung; in diesem Zusammenhang den Begriff der Erkenntnis ins Spiel zu bringen, wäre vermessen und dämlich zugleich - folglich hat nachzudenken keinen Sinn; es wortlos hinzunehmen wäre klüger, dagegen anzuschreiben befreit allerdings, wenn auch nur vom Selbstvorwurf, selbst auch das noch unterlassen zu haben.

Quelle: https://www.krone.at/2854889#fb-10555-df2b71f6

Es würde dem "Thema" weder gerecht, noch wäre der Anlass dafür es wert, sich an dieser Stelle mit dem Kernbegriff der Phänomenologie, der Intentionalität oder gar mit dem Rätsel der Qualia zu beschäftigen; das würde bedeuten "mit Kanonen auf Spatzen zu schießen" oder die "pluralistisch Ignoranten" auf einer Bühne auftreten zu lassen, deren Bretter sie nicht ernsthaft und seriös bespielen, sondern mit Füßen treten.

Daher nur das Nötigste: Pluralistisch Ignorante, in unserem Fall die Mehrheit der Politiker, glauben, dass alle anderen (also wir, das Fußvolk) etwas für wahr halten, woran sie (die Politiker) selbst nicht glauben. Sie (die Politiker) gehen also fälschlicherweise von etwas aus, was ihnen selbst zumindest suspekt erscheinen müsste, glauben aber, dass wir das anders auffassen bzw. eben (weil wir dazu intellektuell nicht in der Lage wären) nicht verstehen.

Das klingt allenfalls verwirrend, anhand konkreter Beispiele wird es aber leicht verständlich:

Quelle: https://www.facebook.com/photo?fbid=527216936113435&set=pcb.527216976113431

Wenn unser eigentlich für die Bildung zuständige Minister in einem Interview im Krone TV erklärt, er wisse nicht, "was wir noch verbessern können" und "wir haben nichts falsch gemacht", geht er davon aus, dass die Hörer das glauben, was sie aber nicht tun.

Er hingegen müsste (ausreichende Intelligenz vorausgesetzt) wissen, dass seine Aussagen falsch sind, wohingegen er annehmen dürfte, dass wir ihm das glauben oder "abnehmen" (sonst würde er es nicht sagen), was allerdings nicht so ist.

Polaschek nimmt also fälschlicherweise an, dass wir ihm etwas glauben, wovon er selbst wissen sollte, dass es blanker Unsinn ist.

Dieses "fälschlicherweise Annehmen" hat allerdings einen Haken oder zwei Seiten: Diejenigen, die hören und nicht glauben, wissen, dass es Polaschek mit ihnen und der Wahrheit nicht allzu ernst nimmt. Diejenigen aber, die hören und glauben, werden von Polaschek zumindest getäuscht und belogen.

Das Beispiel der Polaschek-Irritation mag banal sein, symptomatisch ist es allemal; sobald die Wahrheit unangenehm, das eigene Versagen ersichtlich und schamlos Verborgenes offensichtlich wird, ist jedem/r scheinbar alles erlaubt, jedes noch so kontraindizierte Mittel recht und billig zu haben noch dazu.

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000124329590/karoline-edtstadler-trat-vor-die-medien-und-erklaerte-nichts

Nicht anders verhält es sich im Nahbereich der ganzen Asyldebatte, die längst wieder das geworden ist, was sie bereits anlässlich der Nationalratswahlen 2017 und 2019 war: Das "Thema Nr. Eins" für die Wahlentscheidung; die nächste Wahl, Krisen hin oder her, die Landtagswahl in NÖ, wird damit gewonnen oder verloren; und wenn damit das Schicksal einer Partei auf dem Spiel steht, deren Protagnisten allesamt ausschließlich "bekennende" pluralistische Ignoranten sind, dürften wir den Aussagen und Entscheidungen von Nehammer & Co nicht unvorbereitet gegenüberstehen; mit Co ist u.a. Karoline Edtstadler gemeint, die sich nicht zu schade bzw. zu blöd war, am 14.12.2022 im Krone TV Folgendes zu äußeren: "Aber ich glaube, wir müssen irgendwann zur Kenntnis nehmen, dass es ohne physische Barrieren nicht gehen wird (...) einen Zaun, eine Mauer, Sie können das nennen, wie sie wollen (...)" - gemeint hat sie damit eine "physische Ummantelung" all dessen, was sich derzeit innerhalb der Grenzen der europäischen Union befindet, sozusagen eine "physische Abschottung" gegenüber dem "Rest der Welt".

Dasselbe gilt für die Begründung des Vetos gegen den Beitritt Rumäniens & Bulgariens zum sog. "Schengener Abkommen"; erst durch das Veto Österreichs habe die europäische Kommission die Dringlichkeit des Asylproblems erkannt. "Die Ablehnung einer Erweiterung des Schengenraums richte sich nicht gegen die beiden Beitrittskandidaten, betonte sie, sondern sorge dafür, dass die EU das Migrationsthema "ganz oben auf die Agenda setzt" (https:// www.ots.at/presseaussendung/OTS_20221221_OTS0126/edtstadler-eu-hat-dringlichkeit-des-asylproblems-erkannt).

Die Forderung eines "physischen Grenzschutzes" (Zaun oder Mauer) richtet sich ja zwangsläufig gegen alles und jede(n), das bzw. der/die nicht dem entspricht, was sich Gestalten wie Edtstadler erwarten. Ins selbe "Horn" bläst, nicht unerwartet und warum auch, Karl N.; solche ausländerfeindlichen Parolen versprechen billige Stimmen, zumindest zeitlich limitierte Gewogenheit all derjenigen, die dem Schmäh von "Karl & Karoline" auf den Leim gehen.

Wäre man böswillig, könnte man von einem letzten Aufgebot der selbst verschuldet in Not Geratenen schreiben, von denjenigen, denen aus grenzenloser Machtgier & Dummheit das Wasser bis zum Hals steht, solchen, die sich, von Ignoranz getrieben, ihr eigenes Grab geschaufelt oder ihre eigene Urne zusammengetöpfert haben.

Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000107150578/karoline-edtstadler-ist-kurz-vertretung-bei-tv-konfrontation-im-orf

Das sollte man aber allein schon deshalb unterlassen, ist doch das Zuhören und Zusehen mittlerweile nicht nur amüsant, nimmt von Tag zu Tag bizarrere Formen an, sondern bringt auch noch immer mehr Licht ins türkis-schwarze Schattendasein, das Karl, Karoline & Co seit dem Abschied des Maturanten der Nation zu fristen haben; während erstere krampfhaft um ihr politisches Überleben ringen, tummelt sich Letzterer auf dem internationalen Parkett, zuletzt beim WM-Finalspiel in Katar. Karli ist ebenso unredlich wie erfolglos darum bemüht, die Scherben von Basti zusammenzukehren, Basti hingegen bemüht sich beharrlich, ähnlich erfolglos, um Reputation; beiden fehlen jedoch die adäquaten Mittel und mit pluralistischer Ignoranz ist blöderweise weder eine Wahl noch ein Blumentopf und schon gar kein Glaubenskampf zu gewinnen. Glauben heißt bekanntlich nichts zu wissen; diejenigen, die nichts wissen, werden gemeinhin als ahnungslos bezeichnet und Ahnungslose auch als Ignoranten - im Kollektiv dann eben, mehrheitlich sozusagen, entsteht daraus die pluralistische Ignoranz. Das ist zwar eine recht eigenartige Genese - eine Entstehung aber allemal, passend zu Weihnachten: Es ist etwas entsprungen, aus einer Posse zart ...

Chr. Brugger

21/12/2022